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Immersion Teil 3: Immersion und Lernen

Kindern fällt es bei ihrem Spiel besonders leicht, immersive Erlebnisse zu erschaffen. Erwachsene brauchen meist ein wenig mehr Hilfsmittel, um in Immersion zu gehen.

Ein spannendes Spiel kann uns ganz in seinen Bann schlagen, und hinterlässt oft lange anhaltende Wirkung auf Stimmung, Interessen und Motivation. Inwieweit lässt sich dieser Effekt auch für das Lernen nutzen?

Gerade Bildungsrollenspiele arbeiten ganz gezielt daran, den Spielenden ein möglichst immersives Spielerlebnis zu bereiten: In Pen&Paper Rollenspielen werden dafür oft beispielsweise liebevolle Illustrationen, musikalische Untermalung, stimmungsvolle Beschreibungen oder anschaulichen Karten verwendet. Im Liverollenspiel kommen dazu noch Kostüme und Requisiten zum Einsatz, eine zum Ambiente passende Örtlichkeit wird gebucht etc. So verweben diese Lernformate gezielt das immersive Spiel mit vorbereiteten Lerninhalten und pädagogischen Impulsen.

Die Immersion in Bildungsrollenspielen hat einen direkten Einfluss auf den Lerneffekt der Spieler. Studien haben gezeigt, dass das Gefühl der Immersion, das mit Flow-Erlebnissen einhergeht, auch mit dem Lernen und den damit verbundenen Emotionen zusammenhängt. Wenn ein Spieler geistig und emotional in eine Spielwelt eintaucht, ist er nicht nur konzentriert und aufmerksam bei der Sache, sondern es werden auch die Bereiche des Gehirns, die für Emotionen zuständig sind, aktiviert.

Der emotionale Zustand des Immersiven Erlebens führt die Spielenden oft in den selbstvergessenen und hochfokussierten Flow-Zustand, was eine besonders intensive Auseinandersetzung mit dem Spiel und in den darin eingebunden Lerninhalten führt. Dies fördert auch die intrinsische Motivation der Spielenden, da sie sich nicht für Prüfungen mit den Spielinhalten auseinandersetzen, sondern weil sie das Spielen an sich als Aktivität schätzen. So können die gelernten Themen und Inhalte besonders lange im Gedächtnis bleiben und die Spielenden sind eher motiviert sich auch nach dem Spiel selbstständig damit auseinanderzusetzen.

Daher ist es günstig, wenn das Bildungsrollenspiel Elemente enthält, die der realen Situation ähneln. Auf diese Weise kann im Nachgang (zum Beispiel in einer Reflektionsphase) das neu Erlernte leichter in Bezug zu ihrer Lebenswelt gesetzt werden und die Spielenden neue Fähigkeiten und Wissen in ihre Leben übertragen

Immersion in pädagogischen (Rollen)Spielen lässt die Spielenden nicht nur in eine andere Welt eintauchen, sondern kann auch den Lerneffekt sehr wirksam fördern. Die emotionale Bindung, die durch Immersion entsteht, fördert die Motivation und das Engagement der Spieler, was zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Lernstoff führt und das Potenzial für nachhaltiges Lernen bietet. Daher sollte bei der Gestaltung und Umsetzung von Bildungsrollenspielen das Erzeugen von Immersion stets mitgedacht werden.

Mehr zum Thema Immersion in den vorangegangenen Artikeln:

Was ist Immersion?

Wie die Reise in eine andere Welt gelingt

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Immersion Teil 2: Wie die Reise in eine andere Welt gelingt

Bildungsrollenspiele wie Liverollenspiel oder Pen&Paper Rollenspiele leben davon, dass die Spieler*innen in eine fiktive Welt eintauchen und dort verschiedene Rollen übernehmen. Diese Art des Spiels bietet nicht nur Unterhaltung, sondern kann auch pädagogisch wertvoll sein. Ein entscheidende Größe für den Lerneffekt dabei ist die Immersion, also das Eintauchen in die Spielwelt (mehr dazu im vorangegangen Blogartikel). Im Folgenden werden wir uns mit der Frage beschäftigen, was Immersion fördert und was ihr schadet.

Immersion bezieht sich auf das Gefühl, vollständig in eine andere Welt einzutauchen und die eigene Realität für eine gewisse Zeit zu vergessen. Es ist ein Zustand, in dem man sich mit den Charakteren, der Handlung und der Umgebung des Spiels identifiziert. 

Was fördert die Immersion?

  1. Atmosphäre und Setting: Eine authentisch gestaltete Spielwelt mit realistischen Kulissen und Requisiten kann die Immersion erheblich fördern. Die Teilnehmer sollten das Gefühl haben, sich tatsächlich in der Spielwelt zu bewegen. Daher spielt die Wahl des Spielortes eine große Rolle.
  2. Charakterentwicklung: Die Möglichkeit, einen eigenen Charakter zu erschaffen, zu gestalten und ihn im Laufe des Spiels weiterzuentwickeln, kann die Immersion verstärken. Die Spieler können sich mit ihrem Charakter identifizieren und in seine Rolle schlüpfen.
  3. Interaktion mit anderen Spielern: Die Interaktion mit anderen Spielern und die Möglichkeit, gemeinsam eine Geschichte zu gestalten, fördert die Immersion. Durch die Kommunikation und Zusammenarbeit mit anderen Spielern entsteht ein intensives Gruppenerlebnis.
  4. Interaktion mit der Spielwelt: Die Handlungen und Entscheidungen der Spielenden rufen nicht nur die Reaktion ihrer Mitspieler, sondern auch der Spielwelt hervor. Wie reagieren die Nicht-Spieler-Charaktere als Statisten? Welche Ereignisse resultieren aus den Handlungen der Spielenden? Das Gefühl von Selbstwirksamkeit können Motivation und Immersion merklich stärken.
  5. Narrative Elemente: Eine gut durchdachte und spannende Geschichte kann die Immersion steigern. Eine fesselnde Handlung mit interessanten Wendungen und Herausforderungen kann die Spieler schnell in ihren Bann schlagen, Neugier und Handlungsbereitschaft bewirken.
  6. Klare Spielregeln: Um sich voll auf das Spiel einlassen zu können, müssen die Spielenden sich sicher fühlen können. Durch klare Spielregel können wir das emotionale Wohlergehen der Spielenden schützen, Orientierung geben, und einen ungestörten Spielfluss ermöglichen. Dazu gehören verabredete Notfall-Signale, aber auch räumlich abgegrenzte Spielräume und ein eindeutiger Anfang und Ende der In-Time- Spielphase.

Was schadet der Immersion?

  1. Technische Probleme: Technische Probleme wie schlechte Tonqualität, langsame Internetverbindungen oder fehlerhafte Requisiten können die Immersion stören. Es ist wichtig, dass die technische Ausstattung reibungslos funktioniert, um die Spieler nicht aus der Spielwelt zu reißen.
  2. Mangelnde Vorbereitung: Eine unzureichende Vorbereitung seitens der Spielleitung kann die Immersion beeinträchtigen. Wenn die Spielwelt und die Charaktere nicht gut ausgearbeitet sind oder Spielfluss ins Stocken gerät, kann es schwierig sein, sich in die Spielwelt einzufühlen.
  3. Störende Mitspieler*innen: Spielende, die sich nicht an die Spielregeln halten oder die Immersion anderer Spieler stören, können die Atmosphäre negativ beeinflussen. Es ist wichtig, dass alle Teilnehmer respektvoll miteinander umgehen und sich auf das Spiel einlassen. Auch Gespräche über Themen des realen Lebens, die außerhalb der Spielrolle liegen, die berühmten OT-Blasen gehören dazu.
  4. Überforderung: Eine zu hohe Komplexität des Spiels oder zu viele Informationen auf einmal können die Immersion beeinträchtigen. Es ist wichtig, dass die Spielleitung darauf achtet, dass die Spieler nicht überfordert werden und die Spielwelt in einem angemessenen Tempo erkunden können.

Wir sehen also, eine gut gestaltete Spielwelt, die Möglichkeit zur Charakterentwicklung, die Interaktion mit anderen Spielern, klare Spielregeln und eine spannende Geschichte sind entscheidende Faktoren, die die Immersion fördern. Auf der anderen Seite können technische Probleme, mangelnde Vorbereitung, störende Mitspieler und Überforderung die Immersion beeinträchtigen. Grundsätzlich sollten wir, als Spielleitende versuchen, Störungen möglichst zu vermeiden und die Möglichkeiten, die wir haben, nutzen, die Immersion zu fördern. Das ist tatsächlich eine anspruchsvolle Aufgabe, und es kann natürlich immer kleine Pannen oder unvorhersehbare Ereignisse geben. Aber keine Panik- nicht jede kleine Störung lässt die Immersion gleich zusammenbrechen! Machen lassen sich mit etwas Geschick sogar wieder in die Spielwelt integrieren (z.B.das Feuerzeug wird zum Taschendrachen) oder wir können versuchen, die Spielenden von einem Immersionsbruch ablenken. In der Regel haben wir den guten Willen der Spielenden auf unserer Seite, die auch bereit sind, über kleinere Störungen hinwegzusehen, und sich in der nächsten immersiven Spielphase dann schnell wieder voll in die Spielwelt hineinversetzen werden. 

Quellen und Weiterführendes:

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Medienbildung im internationalen Vergleich – Japan vs. Deutschland

Einen Blick über den eigenen Tellerrand zu werfen ist immer eine gute Idee, und so war ich sehr froh im Rahmen des Deutsch-Japanischen Studienprogramms Einblicke in die medienpädagogische Situation auf der anderen Seite des Globus gewinnen zu können. Ausgehend von der Situation in Deutschland, ist die eigene Perspektive natürlich von der hiesigen Situation geprägt. Wir haben insbesondere in den letzten Pandemie-Jahren eine stark voranschreitende Digitalisierung in verschiedenen Lebensbereichen erfahren:

Bild: Robo Wunderkind

Videokonferenzen und Online-Unterricht selbst in Institutionen wie Schule Einzug halten müssen, welche zuvor eher durch sehr geringe Einbindung auffielen. Denn obwohl fast jeder Jugendliche zumindest Zugang zu Smartphone (oder ein eigenes Gerät) hat, kann weder in der Ausstattung der Schulgebäude noch die Vermittlung von Medienkompetenzen in den Curricula mit der Entwicklung auch nur ansatzweise schritthalten. Nach und nach kommen aber auch in deutschen Schulen und öffentlichen Einrichtungen immer mehr mobile Endgeräte an. Oft macht dann gleich eine weitere Baustelle in der Digitalisierung unserer Gesellschaft bemerkbar: Neben den Endgeräten braucht es natürlich auch geschultes Personal, was über technische Kompetenzen benötigt, um diese zu bedienen, aber auch die Fähigkeit kritisch mit Medien umzugehen und sie selbstbestimmt zu nutzen, um an der Gesellschaft teilzuhaben und all dies dann auch zielgruppengerecht vermitteln zu können.

Umso interessanter ist es daher, zu schauen, wie es andere Länder machen. In Vorträgen und Diskussionsrunden erfuhren wir im Rahmen des Studienprogramms mehr über den Stand in Japan, wie zum Beispiel, dass im Rahmen der Pandemie das Land es zügig schaffte, allen Schülerinnen und Schülern für das pandemiebedingte Homeschooling ein Tablet bereitzustellen und in infolgedessen ein System aufbaut, in dem die Lernenden über ein zentrales Netzwerk Kontakt mit Lehrkräften und Altersgenossen aufnehmen können. Beeindruckend, insbesondere im Vergleich zu unserem Bildungswesen: Hier gab es nur vereinzelte Initiativen den jungen Menschen im Homeschooling Geräte zur Verfügung zu stellen, die den Zugang zum Onlineunterricht erst ermöglichen, und nicht wenige dieser Aktionen waren von administrativen und technischen Problemen gezeichnet. Ich erinnere ich gut an meinen ersten Onlineworkshop mit einer Schulklasse aus Berlin. Einige Kinder aus einkommensschwachen Haushalten hatten dafür iPads von der Schule bekommen. Nun saßen sie ohne fachkundige Begleitung mit Geräten zu Hause, deren Betriebssystem für komplett neu war. Außerdem waren die Zugriffsrechte derart beschränkt, dass sie nicht einmal einen PDF-Reader installieren konnten, um die Arbeitsblätter zu öffnen. Soviel zu digitaler Bildung in deutschen Schulen. Heute sind diese Leihgeräte schon längst wieder aus den Schulen verschwunden, um wieder in gewohnter Art und Weise unterrichten zu können.

Aber in einer Nation wie Japan, in dem alle Schülerinnen und Schüler innerhalb kürzester Zeit mit Endgeräten versorgt werden können, die viel moderne Kommunikationstechnik produziert und in der es sogar Robo-Kellner gibt, da wird Medienbildung doch bestimmt ein ganz automatisch selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens sein.

Doch ich stellte fest, so einfach ist es nicht. Denn mit schnellen und weitreichenden Digitalisierungsprozesse sind medienpädagogische Impulse nicht einfach mitgewachsen. Was Medienbildung, angeht, steht auch in japanischen Bildungseinrichtungen eine eher besorgten und vorsichtige Perspektive auf Neue Medien der Fokus auf die Vermeidung von Gefahren und der Aufklärung der jungen Menschen über Risiken und Probleme. Dieser Fokus scheint aber zu eng gesetzt, denn auch dort gibt es viele medienbezogene Phänomene, für deren Umgang den Kindern und Jugendlichen die nötigen Kompetenzen fehlen: Zum Beispiel Cybermobbing, Reinfallen auf Fake News, und Suchtverhalten werden daher zum Problem. Es arbeiten daher engagierte Pädagogen und Pädagoginnen daran, dies zu ändern und treten für Medienbildung ein, die mehr zu bieten hat und auch kreativen Ausdruck, Spaß, Teamwork und achtsamen Medienkonsum vermittelt und aktuelle Herausforderungen aufgreift. Ich war verblüfft, wie ähnlich die Situation zu der in Deutschland ist.

Es ist vielleicht wie beim Mythos des Digital Natives – eine weitreichende Digitalisierung und das Aufwachsen mit digitalen Medien bringt nicht automatisch Medienkompetenz beim Einzelnen oder ein Bewußtsein für die Wichtigkeit von Medienbildung für die gesamte Gesellschaft mit sich. Der Umgang mit neuen Kulturtechniken will gelernt sein, und deshalb muß technologischer Fortschritt stets von Bildung begleitet werden, die uns ermöglicht, die Nachteile und Gefahren der neuen Technologien zu händeln, und vor allem ich Vorteile und Chancen zu nutzen, um besser miteinander kommunizieren zu können, um kulturellen und wirtschaftlichen Mehrwert zu erschaffen, aber auch um sich selbst auszudrücken, und sich im Sinne unsere demokratischen Grundwerte an der Gesellschaft beteiligen zu können.

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Der Flow – Effekt

Dieses Gefühl kennen wir alle: Das selbstvergessene Aufgehen in einer freudvollen Arbeit, die trotz großer Konzentration kaum anstrengend wirkt. Hinterher tauchen wir wie aus einem U-Boot wieder in der realen Welt auf und wundern uns, wie die Zeit so schnell vergehen konnte.

Besonders oft kann man diesen Zustand bei spielenden Kindern beobachten, aber auch für viele Erwachsene ist das ein bekanntes Erlebnis. 

Quelle: Canva.com

Flow kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „im Fluß“. Er gilt als besonders lernförderliche und produktive Verfassung, und hat es schon längst in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Aber wie förderlich ist Flow wirklich? Und wie entsteht er?  Sehen wir uns diesen besonderen Geisteszustand mal genauer an:

Was ist Flow?

Flow-Erleben ist ein Phänomen der intrinsischen Motivation, also einer Motivation, die nicht durch äußere Anreize entsteht, sondern aus unserem eigenen Interesse heraus kommt.

Flow ist gekennzeichnet durch das Aufgehen in einer Tätigkeit, bei dem man sich selbst ganz vergißt und mit hohem Engagement, hoher Konzentration an etwas arbeitet, wobei das Zeitempfinden stark verändert ist. Die Zeit „verfliegt“ entweder oder scheint viel langsamer zu vergehen, weniger relevante Reize werden dabei völlig ausgeblendet. 

Der Flow -Zustand selbst kann als belohnend empfunden werden und kann daher Lern- und Arbeitsprozesse durch bloßes Erleben erstrebenswert machen Dabei ist im Gehirn eine gute Menge Dopamin im Spiel, weshalb wir nach einem Flow-Erleben meist Lust auf weitere  Flow-Erlebnisse bekommen.

Wie kommt es zum Flow-Erleben?

Zwar handelt es sich bei Flow um ein individuell sehr unterschiedliches Empfinden, doch gibt es äußere Faktoren, welche die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöhen können. Wichtigster Voraussetzung für Flow-Erleben ist die optimale Passung zwischen Anforderungen und Fähigkeit. 

Das heißt, die Aufgabe darf weder als zu langweilig noch zu schwierig empfunden werden. Darüber hinaus sind Flow-begünstigende Tätigkeiten in der Regel mit eigener Aktivität und nicht mit äußeren Erwartungen oder Belohnungen verbunden. Es kann auch helfen, wenn die Aktivität nur wenig vorhersagbar ist, ohne dabei die Möglichkeiten der eigenen Person zu überschreiten.

Beim Einsatz von spielebasierten Methoden wie Rollenspielei ist Flow-Erleben ziemlich oft anzutreffen. Wie das kommt und was es dabei zu beachten gibt, erfährst du im nächsten Blog Beitrag.

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Gamification vs. Spielebasiertes Lernen

Zum spielenden Lernens gibt es mittlerweile eine kaum noch überschaubare Bandbreite von Konzepten und Angeboten. Insbesondere der Begriff Gamification tauch oft auf, wenn es um Lernspiele geht. Allerdings hat Gamification mit Bildungs-Rollenspielen deutlich weniger zu tun, als man zunächst annehmen würde.  

Entscheidend bei spielerischen Lernformaten ist die Unterscheidung von Gamification auf der einen Seite und Game-Based-Learning, also spielbasiertem Lernen inklusive Bildungsrollenspielen auf der anderen. Das sind quasi die beiden Pole, zwischen denen es auch verschiedene Mischtypen geben kann.

Ein Doppelpfeil mit zwei Enden. An einem Ende steht "Gamification", am anderen Ende steht "Spielebasiertes Lernen"

Gamification

Gamification bedeutet, dass Spielelemente in Kontexten genutzt werden, die eigentlich nichts mit dem Spiel zu tun haben. Es geht vor allem darum, wenig unterhaltsam wahrgenommenen Lerninhalte motivierender zu gestalten. Beispielsweise werden spieltypische Mechanismen verwendet, wie Highscores oder das „Freischalten“ weiterer Spieloptionen (Level, Werkzeuge, Waffen…) durch das erfolgreiche Lösen von Aufgaben. Spaß wird in diesem Ansatz als Belohnung für erfolgreiche Lernarbeit eingesetzt, und ist nicht als Teil des Lernprozesses vorgesehen. 

Lernende bzw. die Spielenden werden dabei nicht Teil von fiktiven Spielwelten und übernehmen keine Rollen, sondern bleiben mental im hier und jetzt und in ihrer eigenen Perspektive. Deshalb werden gamifiziere Lernprozesse oft auch nicht als Spiel definiert, weil sie zwar Spielmechaniken enthalten, aber wichtige spielerische Grundelemente fehlen.

Im Gegensatz zu spielebasierten Ansätzen wie Rollenspiele und Serious Games wird also  fiktiven Handlungsraums kreiert, in dem sich die Spielenden ausprobieren können. Es gibt keine Story, keine Rollenübernahme, und so tauchen die Lernenden natürlich nicht geistig in die Spielwelt ein, es gibt keine Immersion, kein selbst-vergessenes Spiel in dem fiktiven Szenario, wie wir es beim Rollenspiel kennen.

Bei Gamifizierten Lernformen handelt sich um ein Lernerlebnis mit Spielelementen und nicht um ein Spiel. Solche „spielifizierten“ Lernerlebnisse werden gelobt für ihre motivierende Wirkung und werden zunehmend in der Bildung genutzt.  Ganz unproblematisch ist es aber nicht: Der pädagogisch aufbereitete Grundzug des Spiels kann sehr wohl jungen Menschen negativ auffallen, was schnell zu Frust und Desinteresse führt. Gerade Jugendliche merken sehr gut, was der eigentliche Zweck des “Spiels” ist. Daher können gamifizierte Methoden das große Potenzial des spielerischen Lernens oft nicht voll ausschöpfen und der Lerneffekt fällt deutlich weniger nachhaltig aus, als bei spielebasierten Ansätzen.

Gamification basiert auf Belohnungen für erwünschtes Verhalten der Lernenden, und arbeitet daher vor allem mit extrinsischer Motivation. Die Motivation der Lernenden ist dabei darauf ausgerichtet, sich Neues nur deshalb anzueignen, um die dafür winkende Belohnung zu bekommen. Dabei besteht die Gefahr, dass sobald Belohnung entfällt, bei den Lernenden in der Regel auch kein Antrieb mehr besteht, sich noch weiter mit dem Thema zu befassen.

Im ungünstigsten Fall bekommen wir am Ende Broccoli mit Schokoladenguss. Der unangenehme Lernauftrag wird „versüßt“ durch Spielelemente, bleibt aber im Kern doch immer noch genauso wenig ansprechender Broccoli. 

Eine Zeichnung von einem Broccoli, der teilweise mit Schokolade übergossen wurde.
Broccoli mit Schokolade – eine Metapher für das Verstecken von Lerninhalten unter spaßig anmutenden Spielelementen

Die Kombination von zwei unpassenden Elementen kann beide ruinieren: Die Schokolade werden wir mit Broccoli nicht mehr genußvoll vernaschen können, und auch schokolierter Broccoli wird uns nicht mehr im sonst schmackhaften Auflauf schmecken.

Spielebasiertes Lernen

Im Gegensatz dazu steht der Ansatz des spielebasierten Lernens: Dabei wird ein Spiel als Medium genutzt, um den Lernprozess in Gang zu setzten. Meist stehen dabei bestimmte Kompetenzen oder einzelne Themen im Fokus, auf die das Spiel abzielt, statt komplette Lernpakete vermitteln zu wollen.  Beispielsweise Bildungs-Liverollenspiele  und Serious Games entsprechend einem spielebasierten Ansatz: Das Erlebnis des Spielens bleibt Mittelpunkt der Konzeption, wird aber um pädagogisch relevante Zielstellungen, Themen, und Impulse, wie zum Beispiel der Reflektion angereichert. Der Fokus liegt also klar, auf dem Lern- bzw. Spielprozess selbst, statt auf dem bloßen Ergebnis.

Spielebasierte Methoden schaffen es so, die großen Potenziale des Spiels in Lernprozesse einzubinden: Sie schaffen authentische Lernerlebnisse, in denen Menschen´von eigenen Ideen und Interesse geleitet neues Lernen, sie fördern damit auch intrinsische Motivation, also den Antrieb von sich selbst heraus neue Dinge zu lernen. Insbesondere Liverollenspiele bieten hoch interaktive Erfahrungsräume in denen die Spielenden lang anhaltende Lernerfahrungen machen können.

Fazit

Das soll nicht bedeuten, dass gamifizierte Ansätze in der Tonne landen sollten. Allerdings ist es nicht empfehlenswert, einem beliebigen Lerninhalt eine Spielsystem überzustülpen, in der Hoffnung, dass das Lernen nun automatisch Spaß machen wird. Deshalb sollten Spielelemente und Lerninhalt immer auf aufeinander abgestimmt werden, um ein stimmiges und rundes Lernerlebnis zu schaffen.

Mehr dazu:

Matthew Farber über Serious Games

https://www.edutopia.org/blog/serious-games-not-chocolate-broccoli-matthew-farber

Myriel Balzer über Larp als Lernmethode