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Gamification vs. Spielebasiertes Lernen

Zum spielenden Lernens gibt es mittlerweile eine kaum noch überschaubare Bandbreite von Konzepten und Angeboten. Insbesondere der Begriff Gamification tauch oft auf, wenn es um Lernspiele geht. Allerdings hat Gamification mit Bildungs-Rollenspielen deutlich weniger zu tun, als man zunächst annehmen würde.  

Entscheidend bei spielerischen Lernformaten ist die Unterscheidung von Gamification auf der einen Seite und Game-Based-Learning, also spielbasiertem Lernen inklusive Bildungsrollenspielen auf der anderen. Das sind quasi die beiden Pole, zwischen denen es auch verschiedene Mischtypen geben kann.

Ein Doppelpfeil mit zwei Enden. An einem Ende steht "Gamification", am anderen Ende steht "Spielebasiertes Lernen"

Gamification

Gamification bedeutet, dass Spielelemente in Kontexten genutzt werden, die eigentlich nichts mit dem Spiel zu tun haben. Es geht vor allem darum, wenig unterhaltsam wahrgenommenen Lerninhalte motivierender zu gestalten. Beispielsweise werden spieltypische Mechanismen verwendet, wie Highscores oder das „Freischalten“ weiterer Spieloptionen (Level, Werkzeuge, Waffen…) durch das erfolgreiche Lösen von Aufgaben. Spaß wird in diesem Ansatz als Belohnung für erfolgreiche Lernarbeit eingesetzt, und ist nicht als Teil des Lernprozesses vorgesehen. 

Lernende bzw. die Spielenden werden dabei nicht Teil von fiktiven Spielwelten und übernehmen keine Rollen, sondern bleiben mental im hier und jetzt und in ihrer eigenen Perspektive. Deshalb werden gamifiziere Lernprozesse oft auch nicht als Spiel definiert, weil sie zwar Spielmechaniken enthalten, aber wichtige spielerische Grundelemente fehlen.

Im Gegensatz zu spielebasierten Ansätzen wie Rollenspiele und Serious Games wird also  fiktiven Handlungsraums kreiert, in dem sich die Spielenden ausprobieren können. Es gibt keine Story, keine Rollenübernahme, und so tauchen die Lernenden natürlich nicht geistig in die Spielwelt ein, es gibt keine Immersion, kein selbst-vergessenes Spiel in dem fiktiven Szenario, wie wir es beim Rollenspiel kennen.

Bei Gamifizierten Lernformen handelt sich um ein Lernerlebnis mit Spielelementen und nicht um ein Spiel. Solche „spielifizierten“ Lernerlebnisse werden gelobt für ihre motivierende Wirkung und werden zunehmend in der Bildung genutzt.  Ganz unproblematisch ist es aber nicht: Der pädagogisch aufbereitete Grundzug des Spiels kann sehr wohl jungen Menschen negativ auffallen, was schnell zu Frust und Desinteresse führt. Gerade Jugendliche merken sehr gut, was der eigentliche Zweck des “Spiels” ist. Daher können gamifizierte Methoden das große Potenzial des spielerischen Lernens oft nicht voll ausschöpfen und der Lerneffekt fällt deutlich weniger nachhaltig aus, als bei spielebasierten Ansätzen.

Gamification basiert auf Belohnungen für erwünschtes Verhalten der Lernenden, und arbeitet daher vor allem mit extrinsischer Motivation. Die Motivation der Lernenden ist dabei darauf ausgerichtet, sich Neues nur deshalb anzueignen, um die dafür winkende Belohnung zu bekommen. Dabei besteht die Gefahr, dass sobald Belohnung entfällt, bei den Lernenden in der Regel auch kein Antrieb mehr besteht, sich noch weiter mit dem Thema zu befassen.

Im ungünstigsten Fall bekommen wir am Ende Broccoli mit Schokoladenguss. Der unangenehme Lernauftrag wird „versüßt“ durch Spielelemente, bleibt aber im Kern doch immer noch genauso wenig ansprechender Broccoli. 

Eine Zeichnung von einem Broccoli, der teilweise mit Schokolade übergossen wurde.
Broccoli mit Schokolade – eine Metapher für das Verstecken von Lerninhalten unter spaßig anmutenden Spielelementen

Die Kombination von zwei unpassenden Elementen kann beide ruinieren: Die Schokolade werden wir mit Broccoli nicht mehr genußvoll vernaschen können, und auch schokolierter Broccoli wird uns nicht mehr im sonst schmackhaften Auflauf schmecken.

Spielebasiertes Lernen

Im Gegensatz dazu steht der Ansatz des spielebasierten Lernens: Dabei wird ein Spiel als Medium genutzt, um den Lernprozess in Gang zu setzten. Meist stehen dabei bestimmte Kompetenzen oder einzelne Themen im Fokus, auf die das Spiel abzielt, statt komplette Lernpakete vermitteln zu wollen.  Beispielsweise Bildungs-Liverollenspiele  und Serious Games entsprechend einem spielebasierten Ansatz: Das Erlebnis des Spielens bleibt Mittelpunkt der Konzeption, wird aber um pädagogisch relevante Zielstellungen, Themen, und Impulse, wie zum Beispiel der Reflektion angereichert. Der Fokus liegt also klar, auf dem Lern- bzw. Spielprozess selbst, statt auf dem bloßen Ergebnis.

Spielebasierte Methoden schaffen es so, die großen Potenziale des Spiels in Lernprozesse einzubinden: Sie schaffen authentische Lernerlebnisse, in denen Menschen´von eigenen Ideen und Interesse geleitet neues Lernen, sie fördern damit auch intrinsische Motivation, also den Antrieb von sich selbst heraus neue Dinge zu lernen. Insbesondere Liverollenspiele bieten hoch interaktive Erfahrungsräume in denen die Spielenden lang anhaltende Lernerfahrungen machen können.

Fazit

Das soll nicht bedeuten, dass gamifizierte Ansätze in der Tonne landen sollten. Allerdings ist es nicht empfehlenswert, einem beliebigen Lerninhalt eine Spielsystem überzustülpen, in der Hoffnung, dass das Lernen nun automatisch Spaß machen wird. Deshalb sollten Spielelemente und Lerninhalt immer auf aufeinander abgestimmt werden, um ein stimmiges und rundes Lernerlebnis zu schaffen.

Mehr dazu:

Matthew Farber über Serious Games

https://www.edutopia.org/blog/serious-games-not-chocolate-broccoli-matthew-farber

Myriel Balzer über Larp als Lernmethode